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Energiewende als Wirtschaftsmotor

Um der Energiewende zum Erfolg zu verhelfen, müssen Systemblockaden und administrative Hemmnisse möglichst rasch abgebaut werden.

Als die Covid-Krise zu Jahresbeginn 2020 Österreich erreichte, war in der Folge auch die E-Wirtschaft massiv gefordert. Das gesellschaftliche Leben kam zum Erliegen, die Wirtschaftsleistung brach ein. Der E-Wirtschaft kam die Aufgabe zu, die Stromversorgung in Österreich zu sichern und ihrer zentralen Rolle als Betreiberin kritischer Infrastruktur gerecht zu werden. Nach der Bewältigung der akuten gesundheitlichen Krise rückten auch die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona in den Mittelpunkt der Aktivitäten von Oesterreichs Energie.

Montage Windpark Trautmannsdorf
© Energie AG

Schon im Frühjahr 2020 hat Oesterreichs Energie für alle relevanten erneuerbaren Energietechnologien (Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft und Biomasse) die möglichen und realistischen Ausbaupotenziale konkretisiert. Im Zuge mehrerer Studien wurden 2020 die konjunkturellen Chancen rascher Investitionen in die E-Wirtschaft herausgearbeitet, Positionen entwickelt und die Bedürfnisse der Branche gegenüber energiepolitischen Entscheidungsträgern kommuniziert. „Auch wenn die E-Wirtschaft die Krise bislang gut gemeistert hat, wird uns die schwierige wirtschaftliche Situation insgesamt noch lang zu schaffen machen. Wir müssen unsere Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Die Unternehmen der E-Wirtschaft und Strom aus erneuerbaren Energien können dabei einen wesentlichen Beitrag leisten“, sagt Michael Strugl, der im Juni 2020 inmitten der Wirtschaftskrise das Amt des Präsidenten von Oesterreichs Energie übernahm.

Der anstehende Umbau des Energiesystems im Sinne der ambitionierten europaweiten Energie- und Klimaziele und die damit verbundenen massiven Investitionen sind nun nicht mehr bloß Mittel zum Zweck. Sie sind zugleich Maßnahmen, um dringend benötigte wirtschaftliche Impulse zu setzen. Entscheidend ist dabei laut dem Präsidenten von Oesterreichs Energie, rasch in den Ausbau der Erneuerbaren zu investieren und dabei die Versorgungssicherheit nicht aus dem Blick zu verlieren: „Wir befinden uns im Energiebereich in einem umfassenden Transformationsprozess. Strom aus erneuerbaren Quellen wird künftig zu einem großen Teil fossile Energieträger in jenen Bereichen ersetzen müssen, in denen diese derzeit noch dominieren: im Verkehr und in der Raumwärme.“ Zusätzlich wird vor allem in der Industrie immer mehr grünes Gas zur Anwendung kommen. „Diese Entwicklungen gilt es in den kommenden Jahren auch aus Sicht der E-Wirtschaft zu gestalten“, sagt Strugl.

EAG

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) wird von Experten als wichtigstes Gesetzeswerk im Energiebereich der letzten Jahrzehnte bezeichnet und soll die Voraussetzung für den Ausbau der erneuerbaren Energien und 100 Prozent Ökostrom im Jahr 2030 schaffen.

Die wesentlichsten Aspekte des EAG-Pakets aus Sicht der E-Wirtschaft sind die generelle Neugestaltung der Förderkulisse (Marktprämien und Investitionszuschüsse im Bereich der erneuerbaren Erzeugung), Förderungen für die Errichtung von Elektrolyseanlagen zur Umwandlung von Strom in Wasserstoff oder synthetisches Gas, der Ausgleich von Standortnachteilen für einen breitflächigeren Ausbau der Windkraft, die Förderung von PV-Freiflächenanlagen zusätzlich zu PV-Dachanlagen, praktikable Regelungen für die Neuerrichtung, das Repowering, den Bestandserhalt von Biomasseanlagen und die Revitalisierung sowie den Neubau von Wasserkraftanlagen in allen Größenklassen.

Neben der rechtlichen Grundlage für den kontinuierlichen Ausbau der Stromübertragungs- und Verteilernetze stehen zudem die sogenannten Energiegemeinschaften im Fokus. Mit Bürgerenergiegemeinschaften und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften will das EAG künftig die Möglichkeit für Bürger, Gemeinden und Vereine schaffen, direkt an der Energiewende teilzunehmen. Bei diesem seit Langem diskutierten Gesetz wird von einem Beschluss im Sommer ausgegangen.

Um das aktuelle Regierungsziel zu erreichen, in Österreich bis 2030 Strom nur noch aus erneuerbaren Energien zu beziehen, sind umfassende Anstrengungen notwendig. Benötigt werden 27 Terawattstunden (TWh) an zusätzlichem Strom aus erneuerbaren Energien – das ist beinah so viel wie der gesamte Stromverbrauch von Dänemark. Damit einher geht nicht nur eine massive Kapazitätserweiterung, sondern auch der Ausbau der Stromnetze und die Schaffung von mehr und neuen Speichermöglichkeiten, um das wettbewerbsbedingt und saisonal schwankende Angebot an erneuerbarem Strom ausgleichen zu können. „Nur wenn wir immer über genügend Strom verfügen, wird es uns zukünftig möglich sein, vollständig auf fossile Energieträger zu verzichten“, sagt Strugl und betont nochmals den wirtschaftlichen Effekt: „Beim Ausbau der Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren schätzen wir das Investitionsvolumen auf 25 Milliarden Euro, die wiederum 18 Milliarden Euro an nationalen Wertschöpfungseffekten auslösen würden. Damit könnten wir insgesamt etwa 108.000 Vollzeitarbeitsplätze sichern bzw. schaffen. Ich denke, das ist die Art von Impuls, die die heimische Wirtschaft jetzt brauchen würde.“

Um diese Impulse setzen zu können, braucht es nicht zuletzt klare rechtliche Rahmenbedingungen. Eine entscheidende Bedeutung kommt dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und dem neuen Energieeffizienzgesetz zu. „Diese beiden Gesetze sollen uns künftig Investitionssicherheit bieten. Die Zeit drängt hier mittlerweile aber sehr. Bis 2030 bleiben weniger als zehn Jahre. Für ein Infrastrukturprojekt in diesen Dimensionen ist das eine sehr kurze Zeit“, so Strugl.

Um die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien und die dafür nötigen Netze auszubauen, gilt es laut Energieexperten Systemblockaden und administrative Hemmnisse möglichst rasch zu beseitigen. „Im Moment stehen lange Genehmigungsverfahren und unkalkulierbare Aufschübe, die die Projekte teurer als nötig machen, allzu oft auf der Tagesordnung. Wir brauchen daher ein zeitgemäßes Energierecht und finanzielle Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energie, die bei den derzeitigen Marktpreisen nicht marktfähig sind“, fordert der Präsident von Oesterreichs Energie. Wenn der Umbau des Energiesystems und der Aufbau der dafür nötigen Energieinfrastruktur schnell gelingen sollen, sind neben breiter Akzeptanz auch neue Spielregeln gefordert: schnellere Verfahren, eine ausreichende Anzahl an informierten Sachverständigen, ein klar definiertes Ende des Verfahrens, eine Ausweitung des One-Stop-Shops für Betriebsanlagen und vieles mehr.